Ein obskurer Manga mit dem Titel "The Future I Saw" (Watashi ga Mita Mirai) von Ryo Tatsuki hat kürzlich in Japan und international große Aufmerksamkeit erregt. Die Geschichte, die eine katastrophale Naturkatastrophe in Japan im Juli 2025 vorhersagt, hat soziale Medien in Aufruhr versetzt und angeblich einige Reisende veranlasst, ihre Sommerreisen abzusagen. Warum nehmen Menschen Tatsukis fiktive Prophezeiung ernst? Und wie wurde ein bevorstehender Horrorfilm in diese wachsende Spekulation verwickelt?
Ursprünglich 1999 veröffentlicht, dokumentiert Tatsukis semi-autobiografischer Manga Visionen aus ihren seit 1985 geführten Traumtagebüchern. Das Cover zeigt die Autorinnen-Figur mit einem bedeckten Auge, während Postkarten über ihrem Kopf unheilvolle Vorahnungen darstellen – darunter eine, die "März 2011: Eine große Katastrophe" genau vorhersagte und somit auf das verheerende Tōhoku-Erdbeben und den Tsunami zutraf. Diese unheimliche Zufälligkeit verhalf dem vergriffenen Manga zu Kultstatus, wobei seltene Exemplare online zu Höchstpreisen gehandelt werden.

Die 2021 erschienene "Complete Edition" enthielt eine neue Prophezeiung: einen Tsunami im Juli 2025, der dreimal größer sein soll als die Verwüstung von 2011. Angesichts der zufälligen Genauigkeit der früheren Vorhersage verbreitete sich diese Warnung rasch auf japanischen Social-Media-Plattformen. Medienberichten zufolge hat die Spekulation insbesondere Reisepläne aus Hongkong beeinflusst, wo übersetzte Versionen weit verbreitet sind. Bemerkenswerterweise strich Hong Kong Airlines Flüge nach Sendai, während Greater Bay Airlines Verbindungen in mehrere japanische Städte reduzierte, obwohl Behörden dies eher auf wirtschaftliche Faktoren als auf Katastrophenängste zurückführen.
Die erneute Aufmerksamkeit trieb die Manga-Verkäufe im Mai auf über eine Million Exemplare, zeitgleich mit Werbemaßnahmen für den Horrorfilm "July 5 2025, 4:18 AM" – der Tatsukis Prophezeiung kreativ als narrative Inspiration aufgreift. Falschinformationen, die das fiktive Filmdatum mit Tatsukis vager Vorhersage vermischten, veranlassten den Verlag Asuka Shinsha zur Klarstellung: "Die Autorin hat nie genaue Zeitpunkte für Katastrophen genannt, wie sie im Film dargestellt werden."
Obwohl Tatsukis Vorhersagen keine wissenschaftliche Grundlage haben, knüpfen sie an berechtigte seismische Befürchtungen an. Experten schätzen die Wahrscheinlichkeit eines verheerenden Nankai-Trog-Erdbebens innerhalb der nächsten 30 Jahre auf 70–80 %, wobei bis zu 300.000 Todesopfer möglich sind. Japans Meteorologische Agentur hält genaue Erdbebenprognosen für unmöglich, doch die Übereinstimmung von Tatsukis Erzählung mit echten geologischen Risiken hat Ängste geschürt.
Kritiker in sozialen Medien hinterfragen den Medienhype: "An Manga-Prophezeiungen zu glauben, ist absurd – das nächste große Beben kann jederzeit kommen", bemerkte ein X-Nutzer. Tatsuki selbst mahnte zur Besonnenheit und erklärte, während sie ein gesteigertes Katastrophenbewusstsein begrüße, sollten Menschen "Expertenanalysen mehr vertrauen als kreativer Fiktion" (Mainichi Shimbun).